Stiftung – Verantwortung übernehmen

Norbert Hoffman, Stiftung – Verantwortung übernehmen, in: Wirtschaft – Das IHK-Magazin für München und Oberbayern –10/2


Die EQUA-Stiftung in München will mit Forschungsprojekten, Seminaren und konkreter Beratung zur Zukunftssicherung von Familienunternehmen beitragen. Die Interessen der Gesellschafter stehen dabei ebenso im Blickpunkt wie die Qualifizierung der nächsten Generation.

Das Kloster Seeon nahe dem Chiemsee ist ein idyllischer Platz mit langer Tradition. Im 17. Jahrhundert beschäftigten sich hier die Mönche mit Wissenschaften und Künsten. Später widmete sogar Mozart dem Kloster eigens zwei Werke. Mittlerweile hat in Seeon ein Kultur- und Bildungszentrum des Bezirks Oberbayern seinen Sitz. Und auch die Seminar-Teilnehmer, die sich im Juni dieses Jahres für einige Tage dort zusammengefunden hatten, diskutierten ein Thema, bei dem Tradition und Moderne eng miteinander verknüpft sind. Ihnen ging es um die Zukunftssicherung von Familienunternehmen in der zweiten, dritten oder vierten Generation und wie die jungen Eigentümer solcher Unternehmen ihrer Verantwortung gerecht werden können. „Für potenzielle Nachfolger eine gewinnbringende Veranstaltung, sehr offen für persönliche Details und gleichzeitig professionell“, sagt Stephanie Schraml, eine der Teilnehmerinnen des Seminars. Ihre Eltern führen derzeit ein Familienunternehmen, sie selbst ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin an der TU München tätig. Wie ihr weiterer Lebensweg aussehen wird, ist noch offen. Mit den Pflichten eines Gesellschafters aber wird sie sich künftig so oder so auseinandersetzen müssen.

Unternehmern und ihrem Nachwuchs bei diesen Herausforderungen zur Seite zu stehen, ist das Anliegen der EQUA-Stiftung. Sie ist nicht nur Veranstalterin von Fortbildungsprogrammen wie dem Seminar in Seeon, sondern bietet über eine ganze Reihe weiterer Aktivitäten Unterstützung. Im Kern geht es dabei um die besonderen Chancen und Risiken, die aus dem Spannungsfeld von Familie, Unternehmen und Eigentum entstehen können. Dr. Ulrich Wacker, der Gründer und Vorstand der Stiftung, weiß um die Dynamik des damit verbundenen Potenzials – sowohl im positiven wie im negativen Sinne. Und er ist sich sicher, dass Konfliktmanagement, Vermeidungsstrategien und eine der Verantwortung entsprechende Qualifikation sehr viel zum langfristigen Erhalt von Familienunternehmen beitragen könnten. Unstrittig ist aber auch, dass es Defizite geben kann. „Üblicherweise muss man in Deutschland für geschäftliche Aktivitäten alle möglichen Bescheinigungen und Zulassungen vorweisen, für eine Beteiligung am Familienunternehmen aber braucht man nur richtig geboren sein“, sagt Wacker. Er selbst stand über Jahrzehnte hinweg als Teilhaber und Vorstand in verantwortlicher Position beim Münchner Baumaschinenhersteller Wacker. Auch in dem in der fünften Generation geführten Unternehmen gab es in den 90er-Jahren langwierige Konflikte zwischen den Gesellschaftern. Nicht zuletzt diese eigenen Erfahrungen haben Ulrich Wacker, heute stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Wacker Neuson AG, bewogen, im Jahr 2001 eine Stiftung ins Leben zu rufen. Das EQUA steht dabei für Eigentümer-Qualifizierungs-Akademie und der Name ist bis heute Programm. So will die Stiftung zur Sicherung von Familienunternehmen durch die wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas ebenso beitragen wie durch praxisnahe Handlungshilfen. EQUA steht darüber hinaus für ausführliche Beratungsgespräche zur Verfügung und stellt bei Bedarf weiterführende Kontakte zu Experten her. Ebenso versteht man sich als Netzwerk, das den Erfahrungsaustausch der Unternehmer untereinander fördern will. Und nicht zuletzt können sich Interessierte über einen regelmäßig erscheinenden Newsletter kostenlos informieren lassen.
Die Basis für all diese Aktivitäten sollen Erkenntnisse der Wissenschaft liefern. Die Stiftung unterstützt deshalb die Bildung von Netzwerken mit und zwischen Hochschulen. Jährlich fließen zudem Mittel im sechsstelligen Bereich zur Förderung wissenschaftlicher Arbeiten, deren für die Praxis relevanten Essentials auch in einer besonderen Schriftenreihe aufbereitet werden. Und dabei findet keineswegs nur der Fachbereich Wirtschaft Berücksichtigung. Mit Blick auf das System Familie und das Zusammenleben von Individuen sind auch die Erkenntnisse der Sozialwissenschaft und Psychologie von Bedeutung. Und nicht zuletzt sind Wirtschaftshistoriker gefragt, weil Konflikte in der Vergangenheit eben eher zugegeben werden als aktuelle Zwistigkeiten. Grundsätzliche Defizite sieht der Stiftungsgründer zudem vor allem in der Tatsache, dass Familie und Unternehmen nur allzu häufig getrennt analysiert werden. „Gerade der Konflikt im Gesellschafterkreis ist ein Tabu, das es noch an vielen Stellen aufzubrechen gilt“, sagt Wacker.

Familienunternehmen verfügen einerseits über besondere Stärken. Egal ob es Konzerne wie BMW oder ob es kleinere Traditionsunternehmen sind: Ihnen allen gemeinsam ist, dass eine Familie die häufig generationsübergreifende Strategie vorgibt und dabei nicht nach dem kurzfristigen Ertrag schielt. „Die Familie ist die Basis: Sie lebt Werte, stabilisiert das Unternehmen und die Rendite steht anders als bei Publikumsgesellschaften nicht im Vordergrund“, sagt Dr. Rena Haftlmeier-Seiffert, die Geschäftsführerin der EQUA-Stiftung. Auf der anderen Seite gibt es aber auch besondere Risiken. So besteht die Gefahr, dass familiäre Konflikte auf das Unternehmen übertragen werden. Ebenso drohen Entwicklungen oder anstehende Entscheidungen im Unternehmen immer wieder die Harmonie im Familienverbund ins Wanken zu bringen. Dafür können einerseits schon mentale Unterschiede verantwortlich sein. Sei es, weil ein eher sparsam eingestelltes Mitglied Investitionen für Verschwendung und finanziell nicht machbar hält. Oder sei es, dass der vermeintliche Verschwender dem anderen das unternehmensgefährdende Verhindern eben solcher Investitionen vorhält. Ein typischer Konfliktherd sind zudem die unterschiedlichen Interessen der im Unternehmen aktiven Mitglieder und die der passiven Eigentümer. Da wollen die einen investieren, die anderen pochen vielleicht eher auf Gewinnausschüttungen. Und dieses Dilemma spitzt sich im Zuge des Generationswechsels möglicherweise noch zu. Da will vielleicht der gerechte Vater allen drei Kindern das Gleiche vermachen, in seiner Eigenschaft als Unternehmer aber würde er die Firma am liebsten nur seinem fähigsten Nachkommen hinterlassen. „Beides ist je nach Blickwinkel gerecht oder ungerecht; wir wollen in unseren Workshops aber das Bewusstsein für die Problematik vermitteln“, sagt Geschäftsführerin Haftlmeier-Seiffert.

Und es werden Wege zur Lösung von Konflikten diskutiert. Einer davon könnte die Hereinnahme eines Finanzinvestors per Minderheitsbeteiligung sein, der als neutraler Dritter dann zur Auflösung von Zwistigkeiten beiträgt. Selbst ein Börsengang mit einer Teilübertragung der Gesellschafterrechte auf den Streubesitz ist möglicherweise eine Alternative. Unter Umständen bietet sich aber auch die Kompromisssuche über einen Mediator als Lösung an. Von vornherein entschärft werden freilich können potenzielle Zwistigkeiten, wenn sich die jungen und zukünftigen Gesellschafter ihrer Rechte und Pflichten bewusst sind und gleichzeitig Verständnis für die relevanten Einflussfaktoren mitbringen. Das jetzt gestartete und aus drei Modulen bestehende Fortbildungsprogramm soll dazu beitragen. „Mit den Seminaren können wir nach sieben Jahren Grundlagenforschung jetzt die eigentliche Idee von EQUA, nämlich die Qualifizierung der Gesellschafter, praxisnah umsetzen“, sagt Haftlmeier-Seiffert. An kompetenter Unterstützung mangelt es dabei nicht. Das Konzept des Fortbildungsprogramms haben Professor Dr. Arist von Schlippe, Inhaber des Lehrstuhls für Führung und Dynamik von Familienunternehmen an der Universität Witten/Herdecke und sein Mitarbeiter Torsten Groth maßgeblich mitgestaltet. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass Eigentümer nicht selten in geradezu paradoxe Situationen geraten. Diese treten immer dann ein, wenn eine bestimmte Entscheidung zugunsten des Unternehmens eigentlich den Interessen der Familie widerspricht oder umgekehrt. Die Wissenschaftler sehen einen wachsenden Bedarf an Professionalisierung zudem auch bei jenen Gesellschaftern, die nicht aktive Nachfolger im Unternehmen werden. Die EQUA-Seminare können da langfristig als Prävention wirken. „Die Qualifizierung verhindert, dass Gesellschafter in eine reine Investorenmentalität abgleiten“, sagt von Schlippe.

Unterstützt wird das Projekt zudem von namhaften Institutionen wie der Privatbank Sal. Oppenheim. „Wir selbst sind seit sieben Generationen ein Familienunternehmen und begeistert von der Idee, durch die Vermittlung von Wissen, das über den Lehrstoff der Universitäten hinausgeht, einen unternehmerischen Nukleus zu bilden“, sagt Joachim Graf von Arnim, Leiter der Niederlassung Bayern. Basierend auf den eigenen Erfahrungen mit der Betreuung großer Familienunternehmen bringe man sich inhaltlich und durch die Entsendung von Referenten in das Programm ein. „Wir unterstützen das Projekt darüber hinaus finanziell, es ist allerdings dennoch eine eigenständige, von unserer Bank unabhängige Veranstaltung“, sagt von Arnim.

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