Gibt es das Unternehmererfolgsgen?

Rena Haftlmeier-Seiffert, Gibt es das Unternehmererfolgsgen?, in: ZusammenWachsen. Dialogmedium für Unternehmerfamilien 01/2013, S. 12.


Um sich der Antwort auf diese Frage zu nähern, sollte als erstes geklärt sein, was überhaupt Unternehmer-Erfolg bedeutet.

Im Allgemeinen wird in unserer Gesellschaft unter einem erfolgreichen Unternehmer ein Mensch verstanden, der es durch sein unternehmerisches Tun schafft, eine Unternehmung so zu gestalten, dass sie in guten Zeiten ordentliche Gewinne erwirtschaftet und auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten stabil bleibt. Denn niemand würde jemanden als erfolgreichen Unternehmer bezeichnen, der in einem Jahr beispielsweise durch die Vermarktung einer genialen Erfindung viel Geld verdient und im nächsten Jahr dann seine Aktivitäten rapide zurückfährt, um auf einer Südseeinsel seine Einnahmen zu verleben. So würde höchstens ein Lottogewinner oder Glücksritter handeln. Seriöser Unternehmer-Erfolg hängt also offensichtlich unmittelbar mit dem Willen zur Dauerhaftigkeit und Langlebigkeit zusammen.

So lautet also die Frage: Gibt es ein Gen, das Unternehmer dazu befähigt, ihre Unternehmung auf Dauer stabil zu halten, es gesund wachsen zu lassen und vor dem Untergang zu bewahren?

Gäbe es ein solches Gen, dann könnte sich jeder Unternehmer ganz fatalistisch zurücklehnen, denn unternehmerischer Erfolg oder Misserfolg wäre sowieso vorbestimmt. Dann hieße es (analog der Erfahrung, dass bei großen, schlanken Vorvätern und -müttern die Nachfahren aufgrund der ererbten Gene wieder groß und schlank werden), dass man als Spross einer erfolgreichen Unternehmerfamilie sehr wahrscheinlich ebenfalls wieder Erfolg haben wird.

Offensichtlich gibt es aber ein solches Gen nicht. Zu oft beobachten wir, dass die Nachfahren von erfolgreichen Unternehmern die ererbte Firma nicht genauso erfolgreich und häufig leider sogar in den Ruin führen.

Deshalb ist also im Umkehrschluss Unternehmer-Erfolg wohl doch eher erworben bzw. erlernt und kann durch die richtig implementierten Maßnahmen, Strukturen und einen entsprechenden Willen quasi erzwungen werden. Wäre dem so, dann müsste jeder Unternehmer (nur) eines der zahlreichen, schlauen und durchaus richtigen Lehrbücher umsetzen, die eine oder andere Regel befolgen und schon wäre der Erfolg gesichert. Doch wir alle kennen Unternehmer, die scheinbar alles richtig machen und die dann doch ihr Unternehmen insolvent melden müssen. Meist werden in solchen Fällen externe Faktoren als verantwortlich angeführt. Einzuwenden ist hier allerdings, dass all die anderen Unternehmer an den gleichen externen Widrigkeiten nicht scheitern.

Was ist es aber dann, was Unternehmer erfolgreich macht?

Vergleicht man die untergegangenen mit den langlebigen Familienunternehmen, so kann man häufig feststellen, dass die erfolgreichen Unternehmerfamilien starke und lebendige Familienmaximen besitzen.

Der aus der (französischen) Moralphilosophie bekannte Begriff Maxime wird dort verwendet, um die obersten (persönlichen) Lebensregeln bzw. die (persönlichen) Grundsätze zu beschreiben, die das eigene Wollen und Handeln unmittelbar und maßgeblich steuern. Maximen entsprechen damit einem subjektiven (nicht rechtlichen) Gesetz, das Grundlage für das eigene Denken und Tun bildet. Wird dieser Begriff nun vom einzelnen Individuum auf eine Familie übertragen, so stellen die Familienmaximen die familiensubjektiven, normativen und (moralisch) verbindlichen Grundsätze für die Familienmitglieder dar, die ihr Denken und Handeln leiten und bestimmen.

Solche fest verinnerlichten, nicht ständig zu hinterfragenden und nicht von Moden abhängigen, also stabilen (aber durchaus langfristig veränderbaren) Familienmaximen sind vor allem dann maßgebliche Grundlage für Unternehmer-Erfolg, wenn sie Basis für eine Kultur der Flexibilität und gleichzeitig der Stabilität sind, wenn sie Empathie und Engagement fordern und fördern, wenn sie die Balance von sich widersprechenden Handlungsaufträgen (wie sie jeder Unternehmer kennt) möglich machen, wenn sie eine ehrliche Haltung gegenüber Menschen, Entscheidungen und auch gegenüber Fehlern kultivieren und die Einmaligkeit (der Personen, der Familie und der Unternehmung) manifestieren. Wenn Nachfahren in einer solchen Umgebung aufwachsen, wenn sie starke Familienmaximen erleben, scheinen sie den Unternehmer-Erfolg quasi mit der Muttermilch aufzusaugen.

Stabiler Unternehmer-Erfolg scheint also weder angeboren noch grundsätzlich an Hochschulen erlernbar zu sein. Er hat vielmehr sehr viel mit dem Aufwachsen in Familien zu tun, die starke und lebendige unternehmerische Familienmaximem (vor-)leben.

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